Was vom Apfelkuchen übrig blieb
Ach, Betsy dieses Geschenk wird dich überaus entzücken. Mittlerweile ist in meinem Umfeld wohl bekannt, wie talentiert ich bei der Geschenkvergabe bin. Wenn ich diese Schleife noch richtig… ja, so sieht es perfekt aus. Oh nein, schon 10 Uhr? Jetzt muss ich mich beeilen, sonst komme ich schon wieder zu spät. Und eine Lady sollte sich nicht zu oft verspäten.
Ich muss mich nur noch einmal frisch machen. Die Zeit soll mir noch erlaubt sein. Meine Haut könnte wirklich besser aussehen. Ich habe das Gefühl, die Falten vermehren sich mit jedem Lachen. Noch schnell eine Schicht UV Creme auftragen, dann gehe ich aber wirklich los.
Ich muss es mir wohl eingestehen: ich bin offiziell eine ältere Dame, selbst das lange, bereits ergraute Haar lässt mich nicht jünger erscheinen. Ich wünschte, die Zeit könnte wie in Dalis Werk einfach zerschmelzen. Jede Uhr würde aufhören zu ticken und meine Haut würde nicht bemerken, wie jede Sekunde an ihr vorbeischnellt. Dann könnte selbst ich pünktlich zu unseren wöchentlichen Treffen erscheinen.
Meine Freunde warten schon in unserem Stammcafé auf mich. Als sie mich im Fenster anmarschieren sehen, winken sie mir energisch zu. Ich deute an, dass sie es lassen sollen, mein Gott, ich weiß doch wo wir immer sitzen. Trotzdem lache ich jedes Mal.
Mir fällt auf, dass ich das Geschenk für Betsy heute Morgen vergeblich eingepackt habe, denn sie ist gar nicht da. Wie schade. Die anderen wissen auch nicht, wo sie ist. Sie ist sonst immer die Pünktlichste. Wahrscheinlich gesellt sie sich später doch noch zu uns. Eigentlich wollte ich ihr das Geschenk zum 87. Geburtstag noch heute geben, weil ich an diesem Wochenende auf einer Ausstellung in London bin. Ich gebe es einfach einer der anderen mit, die überreicht es ihr dann.
Nach dem Brunch besuche ich mein Atelier. Mein Manager ruft mich wegen einer dringenden Besprechung zu sich. Also lasse ich meinen Pinsel auf der Farbpalette liegen und fahre zu ihm. Meist besprechen wir die wichtigen Dinge in seinem Heimbüro.
Als ich eintrete sehe ich eine Frau, die versucht ein Marmeladenglas zu öffnen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, frage ich.
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Ach, Betsy dieses Geschenk wird dich überaus entzücken. Mittlerweile ist in meinem Umfeld wohl bekannt, wie talentiert ich bei der Geschenkvergabe bin. Wenn ich diese Schleife noch richtig… ja, so sieht es perfekt aus. Oh nein, schon 10 Uhr? Jetzt muss ich mich beeilen, sonst komme ich schon wieder zu spät. Und eine Lady sollte sich nicht zu oft verspäten.
Ich muss mich nur noch einmal frisch machen. Die Zeit soll mir noch erlaubt sein. Meine Haut könnte wirklich besser aussehen. Ich habe das Gefühl, die Falten vermehren sich mit jedem Lachen. Noch schnell eine Schicht UV Creme auftragen, dann gehe ich aber wirklich los.
Ich muss es mir wohl eingestehen: ich bin offiziell eine ältere Dame, selbst das lange, bereits ergraute Haar lässt mich nicht jünger erscheinen. Ich wünschte, die Zeit könnte wie in Dalis Werk einfach zerschmelzen. Jede Uhr würde aufhören zu ticken und meine Haut würde nicht bemerken, wie jede Sekunde an ihr vorbeischnellt. Dann könnte selbst ich pünktlich zu unseren wöchentlichen Treffen erscheinen.
Meine Freunde warten schon in unserem Stammcafé auf mich. Als sie mich im Fenster anmarschieren sehen, winken sie mir energisch zu. Ich deute an, dass sie es lassen sollen, mein Gott, ich weiß doch wo wir immer sitzen. Trotzdem lache ich jedes Mal.
Mir fällt auf, dass ich das Geschenk für Betsy heute Morgen vergeblich eingepackt habe, denn sie ist gar nicht da. Wie schade. Die anderen wissen auch nicht, wo sie ist. Sie ist sonst immer die Pünktlichste. Wahrscheinlich gesellt sie sich später doch noch zu uns. Eigentlich wollte ich ihr das Geschenk zum 87. Geburtstag noch heute geben, weil ich an diesem Wochenende auf einer Ausstellung in London bin. Ich gebe es einfach einer der anderen mit, die überreicht es ihr dann.
Nach dem Brunch besuche ich mein Atelier. Mein Manager ruft mich wegen einer dringenden Besprechung zu sich. Also lasse ich meinen Pinsel auf der Farbpalette liegen und fahre zu ihm. Meist besprechen wir die wichtigen Dinge in seinem Heimbüro.
Als ich eintrete sehe ich eine Frau, die versucht ein Marmeladenglas zu öffnen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, frage ich.
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Trash, Trash, Trash
Ihre Knie sind noch ganz blutig, aber niemanden interessiert das. Euretwegen sind ihre Knie aufgeschlagen, verwundet und mit ihrem eigenen Blut beschmiert. Irgendwie hatte sie sich die Schule anders vorgestellt, als sie noch im Kindergarten war. Warum sind alle auf einmal von super nett auf super gemein umgestiegen? Und warum war nur sie das Ziel? Was genau hatte sie denn getan, dass diese Leute sie so sehr hassten? Sie wünschte, sie wäre Harry Potter und hätte das Tagebuch in der Hand. Dann könnte sie ihre Fragen reinschreiben und vom Lord höchstpersönlich eine Antwort bekommen. Vielleicht würde sie dann am Ende sterben, weil niemand zu ihrer Rettung kommen würde. Kein Ron, kein Dumbledore, kein Phönix. Aber wen interessiert das schon.
Diese Woche sollten sie im Englischunterricht einen kurzen Text über jemand anderen in der Klasse verfassen. Sie hatte erst keine Ahnung wen sie nehmen sollte. Also wählte sie einfach das andere leise Mädchen aus, das nie etwas sagte. Auch wenn sie eigentlich nichts über die Stille wusste, konnte sie in ihren Augen sehen, wie unangenehm ihr viele Dinge, die in der Klasse passierten, waren. Und zumindest schubst sie niemanden durch die Gänge oder lachte wenn man auf die Knie fällt. Direkt auf Glasscherben, die wie durch Zufall, genau dort zerbrochen waren. Das bisschen Anstand hatte sie. Aber so etwas konnte sie natürlich nicht in den blöden Aufsatz schreiben. Also sagt sie stattdessen, „this person seems nice“ und „she has long, brown hair“. Hin und wieder bricht ihre Stimme zusammen. Das passiert immer, wenn ihr jemand mal wieder in der Pause die Wasserflasche beim Trinken aus der Hand schlägt und sie den Rest des Tages ohne Getränk bewältigen muss. Ihr Hals fühlt sich an, als würde sie eine Holzfigur mit Sandpapier schleifen, aber nie zu einem glatten Ergebnis kommen.
Sie versucht weiter vorzulesen und sich nicht durch die lauter werdenden Kommentare verwirren zu lassen, aber jeder erreicht einmal den Punkt, an dem der Hals anfängt wehzutun und das Gesicht ganz heiß und rot wird, nur weil man vor Volltrotteln nicht weinen möchte. „She sits in the back and doesn‘t talk a lot“, sagt sie und beendet das Match zwischen Vorlesen und Bloß-Nicht-Anfangen-Zu-Heulen. Jemand von den Idioten errät wer es ist und sie ist endlich erlöst. Sie hofft nur, niemand hat sie zum Beschreiben ausgewählt.
Dann meldet sich das eine Mädchen. Das eine Mädchen, das jeder kennt. Ihr Aussehen ist relativ egal, aber ihr Charakter ist immer der gleiche. Sie ist diejenige, die andere dazu anstiftet zu verletzen. Ihre Aufgabe ist es, von sich selbst abzulenken, ihre eigenen Schwächen durch die sichtbaren Schwächen der anderen zu übertünchen. Und verbaler Kotspender: wenn du das liest, dann fick dich. Sie versucht ihre Beliebtheit aufrecht zu erhalten, denn nichts anderes bleibt ansonsten von der Popularitäts-Fassade übrig.
Miss-tiefgründig-wie-eine-Pfütze steht also auch noch extra auf und beginnt ihren wahrscheinlich meilenweit an der Aufgabe vorbeiziehenden Text vorzulesen: „this person is absolute trash“, sagt sie und guckt in eine ganz bestimmte Richtung. „You know like trash as in plastic bags with food in it and trash like things you don‘t want anymore and trash like her style“, die Klasse lacht gehässig über diese unnötige Aussage, „and trash as in the personi...personification of this person“ sagt sie und setzt sich wieder hin.
Jemand ruft ihren Namen in die Runde und alle starren sie an. „Trash, trash, trash“ rufen sie immer wieder und so geht es den Rest der Schulzeit für das Mädchen weiter. Bis sie eines Tages zurückschlägt. Und Mobbing-Dick niemals damit gerechnet hätte, was eine Trash-Person alles anstellen kann, wenn man sie lange genug provoziert.
Ihre Knie sind noch ganz blutig, aber niemanden interessiert das. Euretwegen sind ihre Knie aufgeschlagen, verwundet und mit ihrem eigenen Blut beschmiert. Irgendwie hatte sie sich die Schule anders vorgestellt, als sie noch im Kindergarten war. Warum sind alle auf einmal von super nett auf super gemein umgestiegen? Und warum war nur sie das Ziel? Was genau hatte sie denn getan, dass diese Leute sie so sehr hassten? Sie wünschte, sie wäre Harry Potter und hätte das Tagebuch in der Hand. Dann könnte sie ihre Fragen reinschreiben und vom Lord höchstpersönlich eine Antwort bekommen. Vielleicht würde sie dann am Ende sterben, weil niemand zu ihrer Rettung kommen würde. Kein Ron, kein Dumbledore, kein Phönix. Aber wen interessiert das schon.
Diese Woche sollten sie im Englischunterricht einen kurzen Text über jemand anderen in der Klasse verfassen. Sie hatte erst keine Ahnung wen sie nehmen sollte. Also wählte sie einfach das andere leise Mädchen aus, das nie etwas sagte. Auch wenn sie eigentlich nichts über die Stille wusste, konnte sie in ihren Augen sehen, wie unangenehm ihr viele Dinge, die in der Klasse passierten, waren. Und zumindest schubst sie niemanden durch die Gänge oder lachte wenn man auf die Knie fällt. Direkt auf Glasscherben, die wie durch Zufall, genau dort zerbrochen waren. Das bisschen Anstand hatte sie. Aber so etwas konnte sie natürlich nicht in den blöden Aufsatz schreiben. Also sagt sie stattdessen, „this person seems nice“ und „she has long, brown hair“. Hin und wieder bricht ihre Stimme zusammen. Das passiert immer, wenn ihr jemand mal wieder in der Pause die Wasserflasche beim Trinken aus der Hand schlägt und sie den Rest des Tages ohne Getränk bewältigen muss. Ihr Hals fühlt sich an, als würde sie eine Holzfigur mit Sandpapier schleifen, aber nie zu einem glatten Ergebnis kommen.
Sie versucht weiter vorzulesen und sich nicht durch die lauter werdenden Kommentare verwirren zu lassen, aber jeder erreicht einmal den Punkt, an dem der Hals anfängt wehzutun und das Gesicht ganz heiß und rot wird, nur weil man vor Volltrotteln nicht weinen möchte. „She sits in the back and doesn‘t talk a lot“, sagt sie und beendet das Match zwischen Vorlesen und Bloß-Nicht-Anfangen-Zu-Heulen. Jemand von den Idioten errät wer es ist und sie ist endlich erlöst. Sie hofft nur, niemand hat sie zum Beschreiben ausgewählt.
Dann meldet sich das eine Mädchen. Das eine Mädchen, das jeder kennt. Ihr Aussehen ist relativ egal, aber ihr Charakter ist immer der gleiche. Sie ist diejenige, die andere dazu anstiftet zu verletzen. Ihre Aufgabe ist es, von sich selbst abzulenken, ihre eigenen Schwächen durch die sichtbaren Schwächen der anderen zu übertünchen. Und verbaler Kotspender: wenn du das liest, dann fick dich. Sie versucht ihre Beliebtheit aufrecht zu erhalten, denn nichts anderes bleibt ansonsten von der Popularitäts-Fassade übrig.
Miss-tiefgründig-wie-eine-Pfütze steht also auch noch extra auf und beginnt ihren wahrscheinlich meilenweit an der Aufgabe vorbeiziehenden Text vorzulesen: „this person is absolute trash“, sagt sie und guckt in eine ganz bestimmte Richtung. „You know like trash as in plastic bags with food in it and trash like things you don‘t want anymore and trash like her style“, die Klasse lacht gehässig über diese unnötige Aussage, „and trash as in the personi...personification of this person“ sagt sie und setzt sich wieder hin.
Jemand ruft ihren Namen in die Runde und alle starren sie an. „Trash, trash, trash“ rufen sie immer wieder und so geht es den Rest der Schulzeit für das Mädchen weiter. Bis sie eines Tages zurückschlägt. Und Mobbing-Dick niemals damit gerechnet hätte, was eine Trash-Person alles anstellen kann, wenn man sie lange genug provoziert.
Gedichtsammlung: Hoffnungen in der Wüste
"Ich schließe meine Augen
meine Ohren
und schließlich meine Haut.
Niemand dringt mehr unter sie
außer mein Stolz."
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meine Ohren
und schließlich meine Haut.
Niemand dringt mehr unter sie
außer mein Stolz."
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