HIER findest du Prosa zum Thema "Grenzen".
Innen und Außen
Jacob betrachtete Renée als sie vom Bett aufstand und Jacobs Hemd anzog: „Komm wieder zurück ins Bett.“
Renée lächelte: „Du weißt, wie gerne ich das machen würde, aber ich muss los. Ich hab in der ersten Stunde Mathe und ich darf auf keinen Fall zu spät kommen.“
Jacob wandte seinen Blick ab. Er mochte es nicht, wenn Renée von der Schule sprach.
Während Renée sich duschte, kochte Jacob Kaffee und klebte sich ein Nikotinpflaster auf den Arm.
Er setzte sich mit seiner Tasse an den Küchentisch und las in der Zeitung. Wenige Minuten später stand Renée angezogen und mit nassen Haaren im Türrahmen.
„Ich geh jetzt los“, sagte sie während sie sich ihre Schuhe anzog.
„Föhn dir bitte noch die Haare. Draußen ist es kalt.“
„Keine Zeit.“
Jacob seufzte und legte die Zeitung auf den Tisch. Er ging zu ihr und gab ihr einen Kuss. Sie lächelten sich verliebt an, dann verließ sie die Wohnung.
Jacob aß kein Frühstück. Früher hatte er immer Gewichtsprobleme gehabt, deshalb ließ er seit vielen Jahren das Frühstück aus. Eine ganze Zeit lang hatte er eine Zigarette zum Frühstück, doch auch die gewöhnte er sich nun ab – für Renée.
In der zweiten Etage der Maisonettewohnung war ein Atelier mit Dachfenstern. Dort malte er den ganzen Vormittag bis zum Nachmittag. Manchmal auch bis in den Abend oder bis in die Nacht.
Seine Wohnung war nicht sehr groß. Er hatte eine kleine Küche, ein noch viel kleineres Badezimmer, ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und sein Atelier.
Überall standen Bücher und an der Wand hingen Bilder, sowohl alte als auch moderne Kunst. Er selber malte Porträts von Menschen auf der ganzen Welt. Jacob war im Winter, wenn es ihm in Deutschland zu kalt war, auf Reisen und fotografierte verschiedene Menschen. Egal welches Geschlecht, welches Alter, ob streng religiös, konservativ oder alternativ.
Im Frühling, Sommer und Herbst malte er die Porträts mit Ölfarben auf Leinwand und änderte die ein oder andere Sache nach seinem Geschmack. Er konzentrierte sich auf eine Besonderheit – das konnte ein Lächeln, eine Zornesfalte oder Sommersprossen sein. Diese Eigenschaft stellte er in den Vordergrund.
Renée bewunderte seine Kunst. Sie selber hatte kein Talent zum Malen, soweit Jacob wusste, hatte sie gar kein künstlerisches Talent. Das war auch besser so. Sie war ein fröhlicher, aufgeschlossener Mensch. Ihr war nie großes Leid widerfahren.
Am Abend trug Renée ein Kleid, schwarze Strumpfhosen und eine kleine Lederjacke. Freudestrahlend betrat sie die Küche. „Wie war dein Tag?“, fragte sie.
„Gut und deiner?“, Jacob lächelte.
„Auch“, sagte sie und warf sich ihm um den Hals.
Sie saßen zusammen am Küchentisch, auf den Jacob einige Kerzen gestellt hatte, aßen Scholle und tranken Weißwein.
„Ich würde dich gerne meinen Eltern und meinen Freunden vorstellen“, sagte Renée, „Ich habe ihnen schon so viel von dir erzählt und sie wollen dich alle unbedingt kennenlernen.“
„Was hast du ihnen denn erzählt?“, fragte Jacob mit einem milden Lächeln.
„Dass du malst, wahnsinnig gut aussiehst, ein begnadeter Koch bist und...“
„Und ich mehr als doppelt so alt bin wie du?“
Renée hatte sich gerade ein großes Stück Kartoffel in den Mund geschoben. Sie kaute und schluckte. „Ich habe gesagt, dass du älter bist, ja.“
„Älter?“ Jacob lachte. „Deine Eltern denken jetzt, ich wäre 25 und nicht 42.“
„Mir ist der Altersunterschied egal. Dir nicht?“
Doch sie bekam keine Antwort auf ihre Frage.
Jacob und Renée sahen sich fast jeden Tag. Meistens in seiner Wohnung. Manchmal besuchten sie ein Museum oder ein Theater. Renée mochte es mit ihm auszugehen, allerdings war sie weniger begeistert von langwierigen Theaterstücken. Sie mochte es seine Hand zu nehmen und sich vor aller Augen an ihn zu schmiegen. Jacob war das unangenehm. Er hatte Angst vor dem was die Leute dachten.
Renée wollte gerne alles mit ihm zusammen machen. Einkaufen, ihren Freunden treffen und ins Kino gehen.
Jacob sagte immer: „Ich will heute nicht ausgehen. Ich möchte lieber mit dir alleine sein.“
Daraufhin bettelte Renée: „Bitte, lass uns was unternehmen.“
„Ich möchte nicht.“
„Wieso nicht?“
„Ich möchte einfach nicht.“
Dann verdüsterte sich Renées Gesichtsausdruck.: „Ist es dir peinlich mit mir rauszugehen?
„Nein.“
„Wieso sind wir dann immer in deiner Wohnung?“
„Wir waren doch letzte Woche im Theater.“
„Ja, da hast du dich echt seltsam verhalten. Was ist dein Problem?“
„Du bist zu jung und es ist mir unangenehm, wenn wir angeguckt werden“, sagte Jacob laut.
Daraufhin verließ Renée beleidigt das Zimmer.
Eines Abends ließ er sich von ihr überreden und sie gingen in ein schickes Restaurant. Renée war überglücklich. Jacob hatte gemischte Gefühle.
Wenige Tische von ihnen entfernt, saß ein junges Paar ungefähr um die Dreißig.
Nachdem sie die Getränke bestellt hatten, hörte er wie sich das Paar über Renée und ihn unterhielt: „Jaah, ich dachte auch erst sie sei seine Tochter.“ „Das sind Vater und Tochter. Kein Paar.“ „Nein, die sind ein Paar. Guck doch genau hin wie sie sich anschmachten.“ „Vielleicht haben sie ein ödipales Verhältnis.“ „Hör auf, du bist ja ekelhaft.“
Jacob wurde ganz anders als er das Gespräch der beiden belauschte. Renée nahm seine Hand, doch er zog sie schnell weg.
„Was ist los?“,fragte Renée.
„Nichts. Ich mag jetzt nur kein Händchen halten.“
Renée verdrehte die Augen.
Jacob hörte wieder das Paar reden: „Ich glaube er hat uns gehört.“ „Jetzt hör doch auf ständig rüber zu gucken.“ „Ich kann nicht anders.“ „Dann rede wenigstens etwas leiser.“
Jacob versuchte nicht mehr hinzuhören, trotzdem konnte er das bereits Gesagte nicht vergessen. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass auch die anderen Tische zu ihnen herüber schielten. Er lockerte seinen Kragen und räusperte sich. Sein Hals war auf ein mal so trocken. Er trank einen Schluck aus seinem Glas, dabei ging etwas daneben und lief sein Kinn herunter.
Renée lachte und wollte mit ihrer Serviette sein Kinn abwischen, doch er wich zurück. „Ich mach das selbst“ Jacob tupfte sein Kinn mit der Serviette ab. Er hörte jemanden lachen und drehte sich um, eine ältere Dame lachte, doch sie konnte ihn unmöglich gesehen haben.
Jacob stand der Schweiß auf der Stirn.
„Geht es dir nicht gut?,“ fragte seine Begleiterin.
„Alles gut,“ er tupfte seine Stirn mit der Serviette ab.
„Bist du dir sicher?“
Jacob antwortete nicht, er dachte er hätte wieder das Paar über ihn reden gehört, doch als er zu ihnen blickte, sahen sie sich verliebt in die Augen und sagten kein Wort.
„Sind sie pädophil?,“ fragte der Kellner. Jacob erschrak. Er hatte ihn nicht kommen hören.
„Wie bitte?,“ fragte Jacob.
„Haben Sie sich entschieden?,“ fragte der Kellner.
„Ehm ja, ich nehme das selbe wie sie“,er nickte in Renées Richtung.
„Den Salade Francaise mit Weichkäse und Nüssen?“
„Oh, nein, ich habe eine Nussallergie. Ohne Nuss bitte.“
„Dann würde ich ihnen unseren Salat des Tages vorschlagen. Er ist mit...“
„Ist schon gut, ich nehme den Salat, nur ohne Nüsse, danke.“
Der Kellner war nicht viel älter als Renée. Er könnte ihr Freund sein. Jacob wurde schwindelig. Er fragte sich, was er hier eigentlich tat. Er hatte das Gefühl, dass nun ausnahmslos alle Renée und ihn anstarrten. Jacob entschuldigte sich und eilte hinaus an die frische Luft.
Als er wieder hineinging, legte er einen Geldschein auf den Tisch und sagte Renée, dass sie nun gehen würden. Sie war nicht gerade erfreut. Entschlossenen Schrittes eilte sie aus dem Restaurant.
„Was ist bloß los mit dir?“, schrie Renée als er hinter ihr das Lokal verließ.
„Hast du nicht gehört was die Leute gesagt haben?“, fragte er aufgebracht.
„Nein, habe ich nicht! Seit wann interessiert es dich so sehr was die Leute von dir denken? Sonst kümmert es dich auch nie.“
„Das ist was anderes“, verteidigte sich Jacob.
„Wieso ist das was anderes?“
„Weil sie Recht haben!“, brüllte Jacob, „Das ist nicht normal! – du bist noch ein Kind und ich bin ein erwachsener Mann! Du bist nicht mal volljährig.“
Renée wurde blass. Ihr schossen Tränen in die Augen. Es tat Jacob leid, doch er konnte die Worte nicht zurücknehmen. Er konnte sie nicht rückgängig und auch nicht unwahr machen. Immer noch hörte er die Stimmen von dem verlobten Paar im Restaurant.
„Es tut mir leid, Renée.“
Sie weinte laut und schrie: „Verpiss dich bloß!“
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging Richtung U-Bahn Station davon. Jacob rief ihr noch mehrere Male hinterher, dass es ihm Leid tat, doch sie drehte sich nicht mehr um.
Jeden Tag hinterließ er Renée eine Nachricht auf der Mailbox – zwei Wochen lang. Dann rief sie ihn zurück. Jacob wollte sich persönlich bei ihr entschuldigen und sich wieder mit ihr vertragen. Renée sagte einem Treffen nur widerwillig und unter einer Bedingung zu. Sie würden sich in der Öffentlichkeit treffen.
Es war der erste warme Frühlingstag dieses Jahr; alle Menschen kamen aus ihren Wohnungen und tankten die Sonnenstrahlen. Renée und Jacob trafen sich in einem Café nicht weit von seiner Wohnung. Dort saßen sie sich gegenüber an einem Tisch am Fenster.
„Es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Für mich ist das eine neue und ungewohnte Situation“, sagte Jacob.
„Du bist mein erster Freund und ich verhalte mich auch nicht so.“
„Das ist etwas anderes. Dich verurteilt keiner. Ich, bin der alte Mann, der was mit einer Jüngeren hat.“
„Es ist mir egal, was andere denken.“
„Ich weiß und du hast ja auch Recht...“
Renée blickte aus dem Fenster. Erst nach einer Weile sagt sie: „Nimm meine Hand.“ Sie blickte ihm in die Augen und legte ihre Hand auf den Tisch. Jacob blickte auf ihre schlanken Finger herrab. Sie war direkt vor ihm. Er musste nur seinen Arm ein kleines Stück ausstrecken, doch er zuckte zurück und nahm die Hände vom Tisch.
Renée verdrehte die Augen: „Das war ja klar.“ Sie zog ihren Arm wieder zurück.
„Sei nicht sauer. Ich mag dich wirklich gerne, bitte“, flehte Jacob.
„Du magst mich gerne? Was bin ich? Dein Kumpel?“
„Du weißt was ich meine.“
Die Bedienung kam an ihren Tisch um die Bestellung aufzunehmen.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Sag es mir.“ Renée blickte zur Kellnerin und dann wieder zu ihrem Gegenüber.
Jacob begann zu schwitzen. Er spürte einen Kloß in seinem Hals. Auch nach vergeblichen Schlucken wollte dieser nicht verschwinden.
„Gucken sie noch? Soll ich gleich nochmal kommen?“, fragte die Kellnerin.
„Nein, bleiben sie“, sagte Renée schnell, dann schaute sie Jacob auffordernd an.
Dem stand der Schweiß auf der Stirn. Er räusperte sich, blickte zu Renée, dann zur Kellnerin. Es entstand eine lange unangenehme Stille.
„Ich hätte gerne ein Wasser“, presste er hervor. Die Kellnerin notierte es sich auf ihrem Block und wandte sich an Renée.
„Ich hätte gerne ein Rückgrat in der Größe eines erwachsenen Mannes“, sagte diese, packte ihre Sachen und verließ das Café.
Jacob drehte sich nach ihr um und sah wie sie sich immer weiter entfernte. Er wollte ihr nachrufen, aber er konnte sich nicht überwinden. Die Angst lähmte ihn regelrecht.
Jacob betrachtete Renée als sie vom Bett aufstand und Jacobs Hemd anzog: „Komm wieder zurück ins Bett.“
Renée lächelte: „Du weißt, wie gerne ich das machen würde, aber ich muss los. Ich hab in der ersten Stunde Mathe und ich darf auf keinen Fall zu spät kommen.“
Jacob wandte seinen Blick ab. Er mochte es nicht, wenn Renée von der Schule sprach.
Während Renée sich duschte, kochte Jacob Kaffee und klebte sich ein Nikotinpflaster auf den Arm.
Er setzte sich mit seiner Tasse an den Küchentisch und las in der Zeitung. Wenige Minuten später stand Renée angezogen und mit nassen Haaren im Türrahmen.
„Ich geh jetzt los“, sagte sie während sie sich ihre Schuhe anzog.
„Föhn dir bitte noch die Haare. Draußen ist es kalt.“
„Keine Zeit.“
Jacob seufzte und legte die Zeitung auf den Tisch. Er ging zu ihr und gab ihr einen Kuss. Sie lächelten sich verliebt an, dann verließ sie die Wohnung.
Jacob aß kein Frühstück. Früher hatte er immer Gewichtsprobleme gehabt, deshalb ließ er seit vielen Jahren das Frühstück aus. Eine ganze Zeit lang hatte er eine Zigarette zum Frühstück, doch auch die gewöhnte er sich nun ab – für Renée.
In der zweiten Etage der Maisonettewohnung war ein Atelier mit Dachfenstern. Dort malte er den ganzen Vormittag bis zum Nachmittag. Manchmal auch bis in den Abend oder bis in die Nacht.
Seine Wohnung war nicht sehr groß. Er hatte eine kleine Küche, ein noch viel kleineres Badezimmer, ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und sein Atelier.
Überall standen Bücher und an der Wand hingen Bilder, sowohl alte als auch moderne Kunst. Er selber malte Porträts von Menschen auf der ganzen Welt. Jacob war im Winter, wenn es ihm in Deutschland zu kalt war, auf Reisen und fotografierte verschiedene Menschen. Egal welches Geschlecht, welches Alter, ob streng religiös, konservativ oder alternativ.
Im Frühling, Sommer und Herbst malte er die Porträts mit Ölfarben auf Leinwand und änderte die ein oder andere Sache nach seinem Geschmack. Er konzentrierte sich auf eine Besonderheit – das konnte ein Lächeln, eine Zornesfalte oder Sommersprossen sein. Diese Eigenschaft stellte er in den Vordergrund.
Renée bewunderte seine Kunst. Sie selber hatte kein Talent zum Malen, soweit Jacob wusste, hatte sie gar kein künstlerisches Talent. Das war auch besser so. Sie war ein fröhlicher, aufgeschlossener Mensch. Ihr war nie großes Leid widerfahren.
Am Abend trug Renée ein Kleid, schwarze Strumpfhosen und eine kleine Lederjacke. Freudestrahlend betrat sie die Küche. „Wie war dein Tag?“, fragte sie.
„Gut und deiner?“, Jacob lächelte.
„Auch“, sagte sie und warf sich ihm um den Hals.
Sie saßen zusammen am Küchentisch, auf den Jacob einige Kerzen gestellt hatte, aßen Scholle und tranken Weißwein.
„Ich würde dich gerne meinen Eltern und meinen Freunden vorstellen“, sagte Renée, „Ich habe ihnen schon so viel von dir erzählt und sie wollen dich alle unbedingt kennenlernen.“
„Was hast du ihnen denn erzählt?“, fragte Jacob mit einem milden Lächeln.
„Dass du malst, wahnsinnig gut aussiehst, ein begnadeter Koch bist und...“
„Und ich mehr als doppelt so alt bin wie du?“
Renée hatte sich gerade ein großes Stück Kartoffel in den Mund geschoben. Sie kaute und schluckte. „Ich habe gesagt, dass du älter bist, ja.“
„Älter?“ Jacob lachte. „Deine Eltern denken jetzt, ich wäre 25 und nicht 42.“
„Mir ist der Altersunterschied egal. Dir nicht?“
Doch sie bekam keine Antwort auf ihre Frage.
Jacob und Renée sahen sich fast jeden Tag. Meistens in seiner Wohnung. Manchmal besuchten sie ein Museum oder ein Theater. Renée mochte es mit ihm auszugehen, allerdings war sie weniger begeistert von langwierigen Theaterstücken. Sie mochte es seine Hand zu nehmen und sich vor aller Augen an ihn zu schmiegen. Jacob war das unangenehm. Er hatte Angst vor dem was die Leute dachten.
Renée wollte gerne alles mit ihm zusammen machen. Einkaufen, ihren Freunden treffen und ins Kino gehen.
Jacob sagte immer: „Ich will heute nicht ausgehen. Ich möchte lieber mit dir alleine sein.“
Daraufhin bettelte Renée: „Bitte, lass uns was unternehmen.“
„Ich möchte nicht.“
„Wieso nicht?“
„Ich möchte einfach nicht.“
Dann verdüsterte sich Renées Gesichtsausdruck.: „Ist es dir peinlich mit mir rauszugehen?
„Nein.“
„Wieso sind wir dann immer in deiner Wohnung?“
„Wir waren doch letzte Woche im Theater.“
„Ja, da hast du dich echt seltsam verhalten. Was ist dein Problem?“
„Du bist zu jung und es ist mir unangenehm, wenn wir angeguckt werden“, sagte Jacob laut.
Daraufhin verließ Renée beleidigt das Zimmer.
Eines Abends ließ er sich von ihr überreden und sie gingen in ein schickes Restaurant. Renée war überglücklich. Jacob hatte gemischte Gefühle.
Wenige Tische von ihnen entfernt, saß ein junges Paar ungefähr um die Dreißig.
Nachdem sie die Getränke bestellt hatten, hörte er wie sich das Paar über Renée und ihn unterhielt: „Jaah, ich dachte auch erst sie sei seine Tochter.“ „Das sind Vater und Tochter. Kein Paar.“ „Nein, die sind ein Paar. Guck doch genau hin wie sie sich anschmachten.“ „Vielleicht haben sie ein ödipales Verhältnis.“ „Hör auf, du bist ja ekelhaft.“
Jacob wurde ganz anders als er das Gespräch der beiden belauschte. Renée nahm seine Hand, doch er zog sie schnell weg.
„Was ist los?“,fragte Renée.
„Nichts. Ich mag jetzt nur kein Händchen halten.“
Renée verdrehte die Augen.
Jacob hörte wieder das Paar reden: „Ich glaube er hat uns gehört.“ „Jetzt hör doch auf ständig rüber zu gucken.“ „Ich kann nicht anders.“ „Dann rede wenigstens etwas leiser.“
Jacob versuchte nicht mehr hinzuhören, trotzdem konnte er das bereits Gesagte nicht vergessen. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass auch die anderen Tische zu ihnen herüber schielten. Er lockerte seinen Kragen und räusperte sich. Sein Hals war auf ein mal so trocken. Er trank einen Schluck aus seinem Glas, dabei ging etwas daneben und lief sein Kinn herunter.
Renée lachte und wollte mit ihrer Serviette sein Kinn abwischen, doch er wich zurück. „Ich mach das selbst“ Jacob tupfte sein Kinn mit der Serviette ab. Er hörte jemanden lachen und drehte sich um, eine ältere Dame lachte, doch sie konnte ihn unmöglich gesehen haben.
Jacob stand der Schweiß auf der Stirn.
„Geht es dir nicht gut?,“ fragte seine Begleiterin.
„Alles gut,“ er tupfte seine Stirn mit der Serviette ab.
„Bist du dir sicher?“
Jacob antwortete nicht, er dachte er hätte wieder das Paar über ihn reden gehört, doch als er zu ihnen blickte, sahen sie sich verliebt in die Augen und sagten kein Wort.
„Sind sie pädophil?,“ fragte der Kellner. Jacob erschrak. Er hatte ihn nicht kommen hören.
„Wie bitte?,“ fragte Jacob.
„Haben Sie sich entschieden?,“ fragte der Kellner.
„Ehm ja, ich nehme das selbe wie sie“,er nickte in Renées Richtung.
„Den Salade Francaise mit Weichkäse und Nüssen?“
„Oh, nein, ich habe eine Nussallergie. Ohne Nuss bitte.“
„Dann würde ich ihnen unseren Salat des Tages vorschlagen. Er ist mit...“
„Ist schon gut, ich nehme den Salat, nur ohne Nüsse, danke.“
Der Kellner war nicht viel älter als Renée. Er könnte ihr Freund sein. Jacob wurde schwindelig. Er fragte sich, was er hier eigentlich tat. Er hatte das Gefühl, dass nun ausnahmslos alle Renée und ihn anstarrten. Jacob entschuldigte sich und eilte hinaus an die frische Luft.
Als er wieder hineinging, legte er einen Geldschein auf den Tisch und sagte Renée, dass sie nun gehen würden. Sie war nicht gerade erfreut. Entschlossenen Schrittes eilte sie aus dem Restaurant.
„Was ist bloß los mit dir?“, schrie Renée als er hinter ihr das Lokal verließ.
„Hast du nicht gehört was die Leute gesagt haben?“, fragte er aufgebracht.
„Nein, habe ich nicht! Seit wann interessiert es dich so sehr was die Leute von dir denken? Sonst kümmert es dich auch nie.“
„Das ist was anderes“, verteidigte sich Jacob.
„Wieso ist das was anderes?“
„Weil sie Recht haben!“, brüllte Jacob, „Das ist nicht normal! – du bist noch ein Kind und ich bin ein erwachsener Mann! Du bist nicht mal volljährig.“
Renée wurde blass. Ihr schossen Tränen in die Augen. Es tat Jacob leid, doch er konnte die Worte nicht zurücknehmen. Er konnte sie nicht rückgängig und auch nicht unwahr machen. Immer noch hörte er die Stimmen von dem verlobten Paar im Restaurant.
„Es tut mir leid, Renée.“
Sie weinte laut und schrie: „Verpiss dich bloß!“
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging Richtung U-Bahn Station davon. Jacob rief ihr noch mehrere Male hinterher, dass es ihm Leid tat, doch sie drehte sich nicht mehr um.
Jeden Tag hinterließ er Renée eine Nachricht auf der Mailbox – zwei Wochen lang. Dann rief sie ihn zurück. Jacob wollte sich persönlich bei ihr entschuldigen und sich wieder mit ihr vertragen. Renée sagte einem Treffen nur widerwillig und unter einer Bedingung zu. Sie würden sich in der Öffentlichkeit treffen.
Es war der erste warme Frühlingstag dieses Jahr; alle Menschen kamen aus ihren Wohnungen und tankten die Sonnenstrahlen. Renée und Jacob trafen sich in einem Café nicht weit von seiner Wohnung. Dort saßen sie sich gegenüber an einem Tisch am Fenster.
„Es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen. Für mich ist das eine neue und ungewohnte Situation“, sagte Jacob.
„Du bist mein erster Freund und ich verhalte mich auch nicht so.“
„Das ist etwas anderes. Dich verurteilt keiner. Ich, bin der alte Mann, der was mit einer Jüngeren hat.“
„Es ist mir egal, was andere denken.“
„Ich weiß und du hast ja auch Recht...“
Renée blickte aus dem Fenster. Erst nach einer Weile sagt sie: „Nimm meine Hand.“ Sie blickte ihm in die Augen und legte ihre Hand auf den Tisch. Jacob blickte auf ihre schlanken Finger herrab. Sie war direkt vor ihm. Er musste nur seinen Arm ein kleines Stück ausstrecken, doch er zuckte zurück und nahm die Hände vom Tisch.
Renée verdrehte die Augen: „Das war ja klar.“ Sie zog ihren Arm wieder zurück.
„Sei nicht sauer. Ich mag dich wirklich gerne, bitte“, flehte Jacob.
„Du magst mich gerne? Was bin ich? Dein Kumpel?“
„Du weißt was ich meine.“
Die Bedienung kam an ihren Tisch um die Bestellung aufzunehmen.
„Ich weiß nicht, was du meinst. Sag es mir.“ Renée blickte zur Kellnerin und dann wieder zu ihrem Gegenüber.
Jacob begann zu schwitzen. Er spürte einen Kloß in seinem Hals. Auch nach vergeblichen Schlucken wollte dieser nicht verschwinden.
„Gucken sie noch? Soll ich gleich nochmal kommen?“, fragte die Kellnerin.
„Nein, bleiben sie“, sagte Renée schnell, dann schaute sie Jacob auffordernd an.
Dem stand der Schweiß auf der Stirn. Er räusperte sich, blickte zu Renée, dann zur Kellnerin. Es entstand eine lange unangenehme Stille.
„Ich hätte gerne ein Wasser“, presste er hervor. Die Kellnerin notierte es sich auf ihrem Block und wandte sich an Renée.
„Ich hätte gerne ein Rückgrat in der Größe eines erwachsenen Mannes“, sagte diese, packte ihre Sachen und verließ das Café.
Jacob drehte sich nach ihr um und sah wie sie sich immer weiter entfernte. Er wollte ihr nachrufen, aber er konnte sich nicht überwinden. Die Angst lähmte ihn regelrecht.