Hier findest du Prosa zum Thema "Anfänge".
Von Katzenhaaren und Kaffeeflecken
Natürlich. Natürlich musste das ausgerechnet mir; ausgerechnet heute passieren. Ich seufzte resigniert und begutachtete den dicken roten Pickel im Badezimmerspiegel, welcher sich auffällig wie der Papst in einer Schwulenkneipe von meiner rechten Wange abhob.
Ich war schließlich noch nicht nervös genug. Zumindest war mein Körper augenscheinlich der Ansicht, dass sich dieser Zustand noch steigern ließe. Jetzt fühlte ich mich nicht nur scheiße; ich sah auch noch scheiße aus. So eine Scheiße!
Meine Versuche, dieses Mistding auszudrücken, blieben fruchtlos - wenn man davon absah, dass meine Wange nun schmerzhaft glühte. Ich würde wohl oder übel damit leben müssen, dass ich einen ungebetenen Gast auf meinem Gesicht spazieren trug, während ich meinen ersten Arbeitstag antrat. Üblicherweise hätte mich ein Pickel nicht so sehr aus der Bahn geworfen, aber an diesem Morgen war ich ausgesprochen dünnhäutig. Ich hatte vor lauter Anspannung kein Auge zugetan. Die ganze Nacht über war in meinem Kopf ein quälendes, endloses Fragenkarussel rotiert und hatte mich am Einschlafen gehindert. Was, wenn mich die Kolleg_innen nicht mögen? Was, wenn ich die Kolleg_innen nicht mag? Was mache ich, wenn ich keinen Anschluss finde? Was, wenn mein Chef ein Vollarsch ist? Was, wenn ich wieder irgendetwas Dummes anstelle oder gleich am Anfang Fehler mache? Was, wenn ich aufgrund meines Alters nicht ernst genommen werde? Was, wenn ich mit meinem Computer im Büro nicht zurechtkomme? Was, wenn mein Büro ungemütlich ist oder kalt oder zu heiß? Falle ich negativ auf, wenn ich außerhalb der Mittagspause rauche? Oh Gott. Was mache ich, wenn die Kaffeemaschine kaputt ist und ich keinen Kaffee bekomme?
All diese sinnlosen Fragen, auf deren Beantwortung man ohne hellseherische Fähigkeiten ohnehin vergeblich wartet. Fragen, die mich nicht nur im Bett, sondern nun auch unter der Dusche, beim Zähneputzen und beim Haarekämmen beschäftigten. Ich schüttelte den Kopf, genervt von meinen eigenen Zweifeln. Warum hat eigentlich noch niemand einen Aus-Schalter für den Teil unseres Gehirns erfunden, der für ungerechtfertigte Sorgen zuständig ist? Ich wäre wohl Teil einer sehr dankbaren Kundschaft.
Als ich ins Schlafzimmer ging, um mich anzuziehen, warf ich einen ungläubigen Blick auf den Boden. Mein Oberteil, das ich mir extra für diesen Tag gebügelt und zurechtgelegt hatte, war von meinem stummen Diener gerutscht. Meine Katze hatte es sich darauf bequem gemacht und streckte sich genüsslich. Mein rechtes Augenlid zuckte. Ich zog das Oberteil unter meiner Katze hervor, welche daraufhin beleidigt mauzte und sich ins Wohnzimmer verzog. Es war zerknittert und voller roter Katzenhaare. Dieser Morgen wurde einfach immer besser. In diesem Oberteil fühlte ich mich immer wohl und es sah so … erwachsen aus. Ich hatte es in der Hoffnung, es würde mir etwas Selbstvertrauen schenken, vorbereitet und herausgelegt. Leider blieb mir keine Zeit, nochmal das Bügeleisen zu schwingen, also zog ich mich an und ging noch einmal schnell mit einer Fusselrolle über meinen Oberkörper. Mit einem Quäntchen Glück würde ich alle Haare erwischen und sogar noch die eine oder andere Falte aus meinem Outfit rollen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich dringend sputen musste, also griff ich meinen Rucksack und stürzte aus der Wohnung hinaus in den Wahnsinn des Alltags.
Nachdem ich im Bus aufgrund von akutem Schlafmangel beinahe eingeschlafen war, beschloss ich, mir beim Bäcker einen Kaffee zu kaufen. Er schmeckte scheußlich, aber war stark. Also hetzte ich etwas wacher mit einem Kaffeebecher durch die Stadt zu dem Verlagshaus, in dem ich heute anfangen sollte. Als ich vor dem alten, ehrwürdigen Gebäude stand, raste mein Herz wie das eines Marathonläufers, der in Rekordzeit die Ziellinie überquert hatte. Gute Güte, am liebsten wollte ich wieder umdrehen, mich in meinem Bett verkriechen und bis ans Ende meiner Tage Doctor Who gucken. Gleichzeitig freute ich mich riesig darüber, einen Job gefunden zu haben und arbeiten zu dürfen. Es nützte ja doch nichts. Wenn ich noch länger vor der Eingangstür stehen blieb, würde ich noch zu spät kommen. Das wollte ich nun wirklich nicht. Ich nahm einen tiefen Atemzug, wappnete mich für meinen ersten Schritt ins Berufsleben … und wurde von hinten angerempelt, sodass mir ein Schwall heißen Kaffees über mein hellgraues Oberteil schwappte. Nachdem ich den Schmerz weggeatmet hatte schaute ich an mir herab und blickte in das abscheuliche Antlitz eines sehr präsenten Kaffeeflecks.
„'Tschuldigung“, murmelte der Mann, der mich angerempelt hatte und eilte an mir vorbei durch die Tür ins Gebäude.
Ich hätte heulen können. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit einem fleckigen, faltigen und noch immer latent mit Katzenhaaren bestückten Oberteil hineinzugehen. Von meinen Augenringen und der Pestbeule auf der Wange ganz zu schweigen. Ich würde einen fantastischen ersten Eindruck hinterlassen. Ob man mir wohl schon heute mitteilen würde, dass ich die Probezeit nicht bestehe?
Mit rotierenden Horrorvisionen und Versagensängsten im Kopf stieg ich wenige Minuten später aus dem Fahrstuhl, darauf achtend, bloß keinen Blick in den Spiegel zu riskieren.
Da kam auch schon meine Vorgesetzte, Dr. Dremmel mit kleinen, aber dafür sehr lauten Schritten auf mich zugestöckelt und lächelte mich reserviert an.
„Ah, da sind Sie schon. Guten Morgen.“ Sie schüttelte mir zur Begrüßung die Hand. Ihr Blick blieb kurz an dem Kaffeefleck hängen. Ich fühlte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
„Guten Morgen“, erwiderte ich unsicher.
„Wir freuen uns alle sehr auf Sie. In der Mittagspause stelle ich Ihnen den Rest des Kollegiums vor und werde Sie gebührend Willkommen heißen. Zunächst bringe ich Sie aber ins Büro von Herrn Mierow. Er wird Sie einarbeiten.“
Herr Mierow. Das war der Kollege, dessen Stelle ich übernehmen sollte, weil er bald in Rente ging. Dr. Dremmel führte mich durch ein kleines Labyrinth aus Fluren, von denen mehrere Büroräume abgingen. Es war so verdammt still in diesem Haus, ganz anders als in der Uni. Dort war alles so wuselig und lebhaft.
„Guten Morgen. Mierow.“ Der Lektor schüttelte meine Hand.
„Guten Morgen. Herrmann“ Meine Erwiderung klang, als hätte ich gerade ein Reibeisen geschluckt.
„Ich lasse Sie beide dann mal allein. Viel Erfolg.“ Dr. Dremmel verließ rasch das Büro.
„Danke, Dremmelchen“, gluckste Herr Mierow und lächelte mich mit warmen Augen an. „Hatten Sie einen kleinen Kaffee-Unfall?“
Ich nickte stumm.
„Ist uns allen schon passiert, machen Sie sich keine Gedanken.“ Er wies mit seiner Hand zu einem Stuhl. „Setzen Sie sich.“ Ich stellte meinen Rucksack ab und tat wie mir geheißen Dann hielt er mir einen Stoß Papier hin. „Lesen Sie die erste Seite dieses Manuskripts und sagen Sie mir, was Sie davon halten.“ Mir rutschte ein Teil des Stapels aus der Hand und eine lose Blättersammlung verteilte sich ungeordnet auf dem Boden.
„Oh Gott, das tut mir schrecklich leid!“ Eilig legte ich den noch vollständigen Part des Manuskripts auf den Stuhl und begann mit fahrigen Fingern, die Seiten vom Boden aufzulesen.
„Schon gut, lassen Sie das es einfach liegen. Wir machen das gleich gemeinsam. Kommen Sie, setzen Sie sich an den Schreibtisch.“
„Aber … das ist Ihr Platz.“
Herr Mierow lachte herzhaft. „Nicht mehr lange. Sie können den Stuhl ruhig schon einmal einsitzen.“
Ich setzte mich in den Bürostuhl und blickte meinen Mentor unsicher an. Der grinste wissend.
„Sie haben den gleichen Ausdruck im Gesicht wie mein Enkel, als ich ihn an seinem ersten Arbeitstag zum Büro gefahren habe. Sie sind wirklich sehr nervös, nicht wahr?“
„Ist das so offensichtlich?“
„Quasi kaum zu übersehen.“
Na toll!
„Aber das ist absolut normal und nicht schlimm. Sie werden sehen, Sie werden am Anfang viele Fehler machen. Um ehrlich zu sein, werden sie auch nach Ihrer Einarbeitung noch viele Fehler machen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe fünfundvierzig Jahre gearbeitet. Das war ausreichend Zeit um so richtig viel Scheiße zu verzapfen.“
Ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken.
„Jeder hier weiß, dass Sie ganz am Anfang Ihrer Karriere stehen und niemand wird Ihnen den Kopf abreißen, wenn etwas schiefgeht. Sie werden an Ihren Aufgaben wachsen, Stück für Stück. Machen Sie sich nicht so viele Gedanken, sondern lassen Sie einfach alles auf sich zukommen. Das ist die erste Stelle, die Sie antreten, oder?“
„Ja.“
Herr Mierow nickte. „Dann genießen Sie Ihre neugewonnene Unabhängigkeit. Sie müssen sich nicht mehr vor Ihren Eltern rechtfertigen, können Ihre eigenen Entscheidungen treffen, ohne dass Ihnen jemand dazwischenfunkt. Sie sind gerade dabei, ihre ersten Schritte ins Erwachsensein zu machen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Ihr Leben fängt gerade an. Genießen Sie diese Phase, statt sich mit Selbstzweifeln zu plagen. Heben Sie sich die Zweifel für Ihre erste Scheidung auf.“
Ich grinste Herrn Mierow breit an. „Ich werde es versuchen. Danke.“
„Kein Problem. Und jetzt heben Sie bitte die Seiten wieder auf. Ich würde Ihnen ja helfen, aber ich hab's im Kreuz.“
Natürlich. Natürlich musste das ausgerechnet mir; ausgerechnet heute passieren. Ich seufzte resigniert und begutachtete den dicken roten Pickel im Badezimmerspiegel, welcher sich auffällig wie der Papst in einer Schwulenkneipe von meiner rechten Wange abhob.
Ich war schließlich noch nicht nervös genug. Zumindest war mein Körper augenscheinlich der Ansicht, dass sich dieser Zustand noch steigern ließe. Jetzt fühlte ich mich nicht nur scheiße; ich sah auch noch scheiße aus. So eine Scheiße!
Meine Versuche, dieses Mistding auszudrücken, blieben fruchtlos - wenn man davon absah, dass meine Wange nun schmerzhaft glühte. Ich würde wohl oder übel damit leben müssen, dass ich einen ungebetenen Gast auf meinem Gesicht spazieren trug, während ich meinen ersten Arbeitstag antrat. Üblicherweise hätte mich ein Pickel nicht so sehr aus der Bahn geworfen, aber an diesem Morgen war ich ausgesprochen dünnhäutig. Ich hatte vor lauter Anspannung kein Auge zugetan. Die ganze Nacht über war in meinem Kopf ein quälendes, endloses Fragenkarussel rotiert und hatte mich am Einschlafen gehindert. Was, wenn mich die Kolleg_innen nicht mögen? Was, wenn ich die Kolleg_innen nicht mag? Was mache ich, wenn ich keinen Anschluss finde? Was, wenn mein Chef ein Vollarsch ist? Was, wenn ich wieder irgendetwas Dummes anstelle oder gleich am Anfang Fehler mache? Was, wenn ich aufgrund meines Alters nicht ernst genommen werde? Was, wenn ich mit meinem Computer im Büro nicht zurechtkomme? Was, wenn mein Büro ungemütlich ist oder kalt oder zu heiß? Falle ich negativ auf, wenn ich außerhalb der Mittagspause rauche? Oh Gott. Was mache ich, wenn die Kaffeemaschine kaputt ist und ich keinen Kaffee bekomme?
All diese sinnlosen Fragen, auf deren Beantwortung man ohne hellseherische Fähigkeiten ohnehin vergeblich wartet. Fragen, die mich nicht nur im Bett, sondern nun auch unter der Dusche, beim Zähneputzen und beim Haarekämmen beschäftigten. Ich schüttelte den Kopf, genervt von meinen eigenen Zweifeln. Warum hat eigentlich noch niemand einen Aus-Schalter für den Teil unseres Gehirns erfunden, der für ungerechtfertigte Sorgen zuständig ist? Ich wäre wohl Teil einer sehr dankbaren Kundschaft.
Als ich ins Schlafzimmer ging, um mich anzuziehen, warf ich einen ungläubigen Blick auf den Boden. Mein Oberteil, das ich mir extra für diesen Tag gebügelt und zurechtgelegt hatte, war von meinem stummen Diener gerutscht. Meine Katze hatte es sich darauf bequem gemacht und streckte sich genüsslich. Mein rechtes Augenlid zuckte. Ich zog das Oberteil unter meiner Katze hervor, welche daraufhin beleidigt mauzte und sich ins Wohnzimmer verzog. Es war zerknittert und voller roter Katzenhaare. Dieser Morgen wurde einfach immer besser. In diesem Oberteil fühlte ich mich immer wohl und es sah so … erwachsen aus. Ich hatte es in der Hoffnung, es würde mir etwas Selbstvertrauen schenken, vorbereitet und herausgelegt. Leider blieb mir keine Zeit, nochmal das Bügeleisen zu schwingen, also zog ich mich an und ging noch einmal schnell mit einer Fusselrolle über meinen Oberkörper. Mit einem Quäntchen Glück würde ich alle Haare erwischen und sogar noch die eine oder andere Falte aus meinem Outfit rollen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich dringend sputen musste, also griff ich meinen Rucksack und stürzte aus der Wohnung hinaus in den Wahnsinn des Alltags.
Nachdem ich im Bus aufgrund von akutem Schlafmangel beinahe eingeschlafen war, beschloss ich, mir beim Bäcker einen Kaffee zu kaufen. Er schmeckte scheußlich, aber war stark. Also hetzte ich etwas wacher mit einem Kaffeebecher durch die Stadt zu dem Verlagshaus, in dem ich heute anfangen sollte. Als ich vor dem alten, ehrwürdigen Gebäude stand, raste mein Herz wie das eines Marathonläufers, der in Rekordzeit die Ziellinie überquert hatte. Gute Güte, am liebsten wollte ich wieder umdrehen, mich in meinem Bett verkriechen und bis ans Ende meiner Tage Doctor Who gucken. Gleichzeitig freute ich mich riesig darüber, einen Job gefunden zu haben und arbeiten zu dürfen. Es nützte ja doch nichts. Wenn ich noch länger vor der Eingangstür stehen blieb, würde ich noch zu spät kommen. Das wollte ich nun wirklich nicht. Ich nahm einen tiefen Atemzug, wappnete mich für meinen ersten Schritt ins Berufsleben … und wurde von hinten angerempelt, sodass mir ein Schwall heißen Kaffees über mein hellgraues Oberteil schwappte. Nachdem ich den Schmerz weggeatmet hatte schaute ich an mir herab und blickte in das abscheuliche Antlitz eines sehr präsenten Kaffeeflecks.
„'Tschuldigung“, murmelte der Mann, der mich angerempelt hatte und eilte an mir vorbei durch die Tür ins Gebäude.
Ich hätte heulen können. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit einem fleckigen, faltigen und noch immer latent mit Katzenhaaren bestückten Oberteil hineinzugehen. Von meinen Augenringen und der Pestbeule auf der Wange ganz zu schweigen. Ich würde einen fantastischen ersten Eindruck hinterlassen. Ob man mir wohl schon heute mitteilen würde, dass ich die Probezeit nicht bestehe?
Mit rotierenden Horrorvisionen und Versagensängsten im Kopf stieg ich wenige Minuten später aus dem Fahrstuhl, darauf achtend, bloß keinen Blick in den Spiegel zu riskieren.
Da kam auch schon meine Vorgesetzte, Dr. Dremmel mit kleinen, aber dafür sehr lauten Schritten auf mich zugestöckelt und lächelte mich reserviert an.
„Ah, da sind Sie schon. Guten Morgen.“ Sie schüttelte mir zur Begrüßung die Hand. Ihr Blick blieb kurz an dem Kaffeefleck hängen. Ich fühlte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
„Guten Morgen“, erwiderte ich unsicher.
„Wir freuen uns alle sehr auf Sie. In der Mittagspause stelle ich Ihnen den Rest des Kollegiums vor und werde Sie gebührend Willkommen heißen. Zunächst bringe ich Sie aber ins Büro von Herrn Mierow. Er wird Sie einarbeiten.“
Herr Mierow. Das war der Kollege, dessen Stelle ich übernehmen sollte, weil er bald in Rente ging. Dr. Dremmel führte mich durch ein kleines Labyrinth aus Fluren, von denen mehrere Büroräume abgingen. Es war so verdammt still in diesem Haus, ganz anders als in der Uni. Dort war alles so wuselig und lebhaft.
„Guten Morgen. Mierow.“ Der Lektor schüttelte meine Hand.
„Guten Morgen. Herrmann“ Meine Erwiderung klang, als hätte ich gerade ein Reibeisen geschluckt.
„Ich lasse Sie beide dann mal allein. Viel Erfolg.“ Dr. Dremmel verließ rasch das Büro.
„Danke, Dremmelchen“, gluckste Herr Mierow und lächelte mich mit warmen Augen an. „Hatten Sie einen kleinen Kaffee-Unfall?“
Ich nickte stumm.
„Ist uns allen schon passiert, machen Sie sich keine Gedanken.“ Er wies mit seiner Hand zu einem Stuhl. „Setzen Sie sich.“ Ich stellte meinen Rucksack ab und tat wie mir geheißen Dann hielt er mir einen Stoß Papier hin. „Lesen Sie die erste Seite dieses Manuskripts und sagen Sie mir, was Sie davon halten.“ Mir rutschte ein Teil des Stapels aus der Hand und eine lose Blättersammlung verteilte sich ungeordnet auf dem Boden.
„Oh Gott, das tut mir schrecklich leid!“ Eilig legte ich den noch vollständigen Part des Manuskripts auf den Stuhl und begann mit fahrigen Fingern, die Seiten vom Boden aufzulesen.
„Schon gut, lassen Sie das es einfach liegen. Wir machen das gleich gemeinsam. Kommen Sie, setzen Sie sich an den Schreibtisch.“
„Aber … das ist Ihr Platz.“
Herr Mierow lachte herzhaft. „Nicht mehr lange. Sie können den Stuhl ruhig schon einmal einsitzen.“
Ich setzte mich in den Bürostuhl und blickte meinen Mentor unsicher an. Der grinste wissend.
„Sie haben den gleichen Ausdruck im Gesicht wie mein Enkel, als ich ihn an seinem ersten Arbeitstag zum Büro gefahren habe. Sie sind wirklich sehr nervös, nicht wahr?“
„Ist das so offensichtlich?“
„Quasi kaum zu übersehen.“
Na toll!
„Aber das ist absolut normal und nicht schlimm. Sie werden sehen, Sie werden am Anfang viele Fehler machen. Um ehrlich zu sein, werden sie auch nach Ihrer Einarbeitung noch viele Fehler machen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe fünfundvierzig Jahre gearbeitet. Das war ausreichend Zeit um so richtig viel Scheiße zu verzapfen.“
Ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken.
„Jeder hier weiß, dass Sie ganz am Anfang Ihrer Karriere stehen und niemand wird Ihnen den Kopf abreißen, wenn etwas schiefgeht. Sie werden an Ihren Aufgaben wachsen, Stück für Stück. Machen Sie sich nicht so viele Gedanken, sondern lassen Sie einfach alles auf sich zukommen. Das ist die erste Stelle, die Sie antreten, oder?“
„Ja.“
Herr Mierow nickte. „Dann genießen Sie Ihre neugewonnene Unabhängigkeit. Sie müssen sich nicht mehr vor Ihren Eltern rechtfertigen, können Ihre eigenen Entscheidungen treffen, ohne dass Ihnen jemand dazwischenfunkt. Sie sind gerade dabei, ihre ersten Schritte ins Erwachsensein zu machen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Ihr Leben fängt gerade an. Genießen Sie diese Phase, statt sich mit Selbstzweifeln zu plagen. Heben Sie sich die Zweifel für Ihre erste Scheidung auf.“
Ich grinste Herrn Mierow breit an. „Ich werde es versuchen. Danke.“
„Kein Problem. Und jetzt heben Sie bitte die Seiten wieder auf. Ich würde Ihnen ja helfen, aber ich hab's im Kreuz.“